Juniperus chinensis - Die Kobra

 

Alter:
Höhe:
Herkunft:
gestaltet seit:

 

ca. 25 Jahre
45 cm
Baumschule
Herbst 2004

 

Dieser Wacholder ist der zweite Baum, den ich zusammen mit einer Fichte im Herbst 2004 in München erwarb. Er faszinierte mich auf den ersten Blick durch seine Stammform. Mein erster Gedanke bei seinem Anblick war der einer sich aufrichtenden Schlange. Ich gab ihm daher den Namen "Die Kobra".

Der Baum war vor etwa 18 Jahren aus einer Baumschulpflanze gestaltet worden. Leider hatte der Vorbesitzer in den letzten Jahren wenig Zeit und pflanzte den Wacholder deshalb in seine große Plastikschale. Die weitere Gestaltung des Baumes war aus Zeitgründen ebenfalls vernachlässigt worden. Trotzdem handelt es sich bei diesem Baum um eine hervorragende Ausgangspflanze für die weitere Gestaltung, weil der Stamm ein vor vielen Jahren angelegtes Shari und einen sehr schönen Wurzelansatz aufweist.

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Um diese Details richtig darzustellen, muss für den Baum eine Form gefunden werden, die den Stamm betont. In seiner ursprünglichen Form war dies nicht der Fall. Die Krone mit ihren beiden Laubpolstern wirkt zu massig und zieht den Blick auf sich, so daß der Stamm nicht zur Geltung kommt.

Um die Krone leichter zu gestalten, wird der untere Ast entfernt und der obere Ast herabgezogen. Der Baum hat sich nach diesen ersten Eingriffen bereits sehr verändert. Die elegante Linie des Stammes fällt beim Betrachten sofort ins Auge und die Krone ist nicht mehr so massiv. Insgesamt sind die Proportionen von Krone und Stamm nach den ersten Eingriffen deutlich ausgewogener.

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Nach dieser ersten Grundgestaltung war ich ratlos. Ich wusste lange nicht, wie ich bei der weiteren Gestaltung vorgehen sollte. Zum Einen konnte ich mir nicht vorstellen, wie der Baum im Detail einmal aussehen sollte, zum Anderen handelte es sich um den ersten Wacholder, den ich gestaltete, so daß ich nicht wusste, welche Techniken erforderlich waren und wie ich sie anwenden sollte. Ich entschloss mich also, dem Baum und mir zunächst etwas Zeit zu geben. Ich betrachtete ihn so oft wie möglich und ließ den Anblick einfach auf mich wirken. Später, als ich etwas vertrauter geworden war, drahtete ich einige Zweige ein und ordnete sie neu. Nach ein paar Tagen der intensiven Beschäftigung hatte ich plötzlich ein Bild im Kopf. Ich machte eine grobe Skizze dieser Vorstellung und verfeinerte sie schrittweise.

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Nachdem ich mit Hilfe der Skizzen meine Vorstellungen präzisiert hatte, versuchte ich herauszufinden, wie ich die Äste der Baumkrone ordnen könnte, um der skizzierten Baumgestalt möglichst nahe zu kommen. Nach einer Weile stellte sich das nächste Problem - ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Skizze umsetzen sollte. Also las ich in Zeitschriften und Büchern, um mehr über die Techniken bei der Gestaltung von Wacholdern zu erfahren. Dann begann ich damit, den untersten und wichtigsten Ast zu zupfen und zu drahten. Das Ergebnis hat mich wirklich beeindruckt. Nachdem die Laubmassen reduziert und die Zweige geordnet waren, wirkte der Baum bereits ganz anders.

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Nach dem Zupfen und Drahten der rechten Seite wurde die zukünftige Gestalt bereits erkennbar. An dieser Stelle machte ich wieder eine Pause, da ich mir erst über die Gestaltung der rückseitigen Äste und der Krone klar werden wollte.

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Nachdem ich noch einen Ast entfernt und die restlichen geordnet hatte, war ich sehr zufrieden mit dem Aussehen des Baumes.

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Ich werde den Wacholder nun zunächst wachsen lassen, damit sich die Laubpolster entwickeln und die Äste stabilisieren. Dann werde ich schrittweise den Wurzelballen verkleinern, bis der Wacholder in einigen Jahren in die für ihn vorgesehene Schale passt. das letzte Bild zeigt eine Fotomontage des Baumes in einer passenden Schale.

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Ich habe nun sehr viel über die äußere Gestaltung des Baumes geschrieben. Das ist jedoch nur eine Seite. Wenigstens genauso wichtig wie die äußerlich sichtbare Gestaltung war für mich ein Prozeß, der während der Arbeit in mir ablief. Oft empfand ich ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit und Glück während der Arbeit mit dem Baum. Ich fühlte mich ausgefüllt, entspannt und angekommen. Die während der Gestaltung zunehmend sichtbarer werdende Klarheit in der Form des Baumes führte auch bei mir zu einer wachsenden inneren Klarheit. Nicht nur der Baum hat einen Prozeß der Veränderung durchlaufen, sondern dieser Prozeß wirkte auch auf mich.

August 2005, fast ein Jahr nach der Grundgestaltung:

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